Programmierung einer KI – Schritt für Schritt 05.06.2024

Reichshof – Unternehmensbesuch

Einleitung und Zielsetzung

In der Ära der digitalen Transformation stehen kleine und mittelständische Unternehmen vor der Herausforderung, innovative Lösungen zu finden, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und operative Prozesse zu verbessern. Ein entscheidender Hebel für den Erfolg in diesem dynamischen Umfeld kann die Implementierung von Künstlicher Intelligenz (KI) darstellen. Künstliche Intelligenz bietet ungeahnte Möglichkeiten, nicht nur um existierende Probleme in der Automatisierungstechnik zu lösen, sondern eröffnet ebenso neue Wege in der Gestaltung von Produkten und der Erschließung neuer Märkte. Vor diesem Hintergrund wurde der beschriebene Workshop gemeinsam mit der Hans Berg GmbH & Co. KG initiiert, der sich speziell der schrittweisen Entwicklung und Implementierung eines KI-Systems widmete. Ziel war es, den Teilnehmern ein profundes Verständnis für den praktischen Einsatz künstlicher Intelligenz im betrieblichen Alltag zu vermitteln und sie so für die komplexen Anforderungen der digitalen Zukunft zu rüsten.

Der Workshop stellte einen umfassenden Ansatz dar, indem er mit einer grundlegenden Einführung in die Themen KI und digitale Transformation begann, gefolgt von einer detaillierten Betrachtung des spezifischen Bedarfs und der Herausforderungen, denen sich die Hans Berg GmbH & Co. KG gegenübersieht. Dabei wurde ein besonderer Wert darauf gelegt, den Teilnehmern nicht nur theoretisches Wissen zu vermitteln, sondern vor allem praktische Erfahrungen im Umgang mit Datenanalyse, Modellbildung und deren Anwendungsmöglichkeiten zu ermöglichen. Durch interaktive Sessions, in denen die Teilnehmer direkt in den Entwicklungsprozess von KI-Lösungen eingebunden waren, konnten sie tiefe Einblicke in die Vielschichtigkeit der Thematik gewinnen.

Challenge der Firma Hans Berg als Grundlage für die KI

Die identifizierte Herausforderung der Firma Hans Berg diente als gutes Beispiel, um die Potentiale von KI in der Fertigungsindustrie, speziell in der Fügetechnik von Automotive-Komponenten, zu demonstrieren. Im Zentrum stand der spezifische Subprozess des Kondensatorentladungsschweißens zur Fertigung eines Bauteils, bekannt als “Haubenaufsteller”, der im Ereignisfall eine entscheidende Rolle im Fußgängerschutz spielt. Dieses sicherheitskritische Bauteil erfordert ein hohes Maß an Präzision und Qualitätssicherung – unter anderem bei den enthaltenen Schweißungen.

Die Firma nutzt eine flexible Fertigungszelle mit einem kreisförmigen Materialfluss sowie einem umfangreichen Informationssystem zur Sammlung von Messdaten für die Prozessüberwachung und die Gütebewertung der Schweißung. Der Schweißprozess selbst, basierend auf der schlagartigen Entladung von Kondensatoren, hängt von den Einstellparametern Kraft und Energie ab, deren Messwerte entscheidende Gütekriterien für die Qualität des Endergebnisses sind.

Trotz eines etablierten Prozesses zur maschinellen Bewertung der Güte der Schweißung , der starre Toleranzgrenzen für Kraft und Strom als Grundlage für die Gütebewertung des Bauteils heranzieht, steht die Firma Hans Berg vor einer bedeutenden Herausforderung: Die Maschine erzeugt einen unnötig hohen Ausschuss an Bauteilen, die als nicht in Ordnung (n.i.O.) klassifiziert werden, obwohl eine metallographische Prüfung die Güte dieser Teile bestätigt. Dieses Problem weist auf eine Diskrepanz zwischen der maschinellen Bewertung und der tatsächlichen Teilequalität hin, was zu unnötigem Material- und Ressourcenverlust führt.

Die Aufgabenstellung besteht daher darin, den Ausschuss durch eine optimierte Bewertung der Teilegüte zu reduzieren. Der Kern der Herausforderung liegt somit in der Verbesserung des bestehenden Bewertungsprozesses, um eine präzisere Unterscheidung zwischen i.O.- und n.i.O.- Teilen zu ermöglichen. Dies erfordert eine tiefgründige Analyse der vorhandenen Daten und Parameter sowie die Entwicklung einer innovativen Lösung, die Künstliche Intelligenz nutzen könnte, um die Effizienz und Genauigkeit der Teilegütebewertung signifikant zu steigern.

Der Prozess: Von den Daten zum KI-System

Dieser umfassende Prozess, der von der Datenerhebung bis zur Implementierung eines funktionierenden KI-Systems führt, beinhaltet mehrere entscheidende Schritte. Beginnend mit der Datenakquise bis hin zur Modellentwicklung und der anschließenden Integration und kontinuierlichen Überwachung sind alle Phasen von zentraler Bedeutung für den Erfolg des Vorhabens.

Datensammlung

Zunächst müssen relevante Datenquellen identifiziert werden, wobei rechtliche und ethische Grundsätze zu berücksichtigen sind. Nach Festlegung einer Strategie zur Datensammlung ist die Sicherstellung der Qualität und Repräsentativität der Daten von größter Wichtigkeit. In diesem spezifischen Fall wurden 82 Datensätze gesammelt, die Messwerte wie Kraft, Energie, Strom, Stromanstiegszeit, Schweißzeit und Absenkweg enthalten. Diese Daten wurden eingehend überprüft und durch eine umfassende metallographische Prüfung zur Bewertung der Teile (i.O. oder n.i.O.) ergänzt.

Datenaufbereitung

Die Rohdaten müssen aufbereitet werden, damit sie von einem KI-System verarbeitet werden können, was typischerweise über eine ETL-Pipeline (Extrahieren, Transformieren, Laden) geschieht. Hierbei wurden die Daten zunächst aus einer Excel-Datei geladen und einer ersten Überprüfung unterzogen. Durch Konvertierung, Bereinigung und letzte Überprüfung wurden die Daten in ein formatiertes und sauberes Format überführt. Wichtige Schritte waren das Entfernen von Duplikaten und das Korrigieren fehlender Werte. Nach der Bereinigung und Transformation wurden die Daten analysiert, zusammengeführt und skaliert.

Modellauswahl und Training

Die Wahl des geeigneten Algorithmus-Typs basiert auf der Natur der Aufgabenstellung, wobei im vorliegenden Fall ein überwachter Lernansatz gewählt wurde. Als Modelle kamen ein vorwärts gerichtetes neuronales Netz mit zwei versteckten Schichten und ein Random Forest Classifier mit 100 Bäumen in Frage, die für eine präzise Klassifikation der Bauteile als i.O. oder n.i.O. angepasst wurden. Über umfangreiche Optimierungsschleifen und anschließendes Feintuning wurden die passenden Metriken und Hyperparameter festgelegt.

Ergebnisse der Modelle

Die Performance der beiden getesteten Modelle, des vorwärts gerichteten neuronalen Netzes und des Random Forest Classifiers, offenbarte signifikante Unterschiede in ihrer Genauigkeit. Während das vorwärts gerichtete neuronale Netz trotz erster Optimierungsversuche in Bezug auf die Anpassung der Parameter eine maximale Genauigkeit von etwa 70 Prozent erreichen konnte, erzielte der Random Forest Classifier beeindruckende 100 Prozent Genauigkeit. Dieses bemerkenswerte Ergebnis des Random Forest Classifiers zeigt seine besondere Eignung für das vorliegende Problem. Denn bei sicherheitsrelevanten Teilen soll das Risiko eine Fehl-Klassifikation natürlich minimal ausfallen.

Random Forest, eine Ensemble-Lernmethode, die aus mehreren Entscheidungsbäumen besteht und durchschnittliche Vorhersagen aus verschiedenen Teilmodellen aggregiert, ist besonders effektiv in der Handhabung von komplexen Klassifikationsaufgaben. Diese Methode kann nicht-lineare Zusammenhänge in den Daten gut erfassen und ist robust gegenüber Überanpassung, was sie ideal für die präzise Klassifikation der Bauteile als i.O. oder n.i.O. macht. Darüber hinaus ist Random Forest gut geeignet, mit der inhärenten Unordnung und Variabilität in Echtweltdaten umzugehen, wie sie auch in den Messdaten des Schweißprozesses vorkommen. Diese Fähigkeit, komplexe Datenmuster zu erkennen und darauf zu reagieren, begründet letztlich die herausragende Genauigkeit des Random Forest Classifiers im Vergleich zum vorwärts gerichteten neuronalen Netz.

Zusammenfassung und Lessons Learned für die Unternehmen

Die Implementierung von KI-Systemen, wie im Fall der Hans Berg GmbH & Co. KG demonstriert, bietet wertvolle Erkenntnisse für Unternehmen, die ähnliche Wege beschreiten möchten:

Herausforderungen klar definieren: Eine präzise Identifizierung von Anwendungsbereichen für KI innerhalb des Unternehmens ist entscheidend. Es gilt, realistische Ziele zu setzen, um den Nutzen von KI-Technologien optimal ausschöpfen zu können.
Datenbasis gezielt aufbauen und vorbereiten: Die Verfügbarkeit und Qualität von Daten sind kritisch für den Erfolg der KI. Ein gezielter Aufbau und gründliches Pre-Processing der Daten sind unerlässlich.
Projektmanagement optimieren: Die Definition des erforderlichen Arbeitsaufwands und eine zeiteffiziente Durchführung sind Schlüsselfaktoren für das Gelingen von KI-Projekten.

In der Zusammenfassung der Ergebnisse wurde ersichtlich, dass durch die systematische Analyse und methodische Bearbeitung nicht nur das Potenzial von KI-Anwendungen erfolgreich erschlossen, sondern auch die Grundlage für erweiterbare und nachhaltige KI-Lösungen geschaffen wurde. Eine modulare Systemarchitektur erhöht die Flexibilität und ermöglicht eine einfache Anpassung an zukünftige Anforderungen.

Die gewonnenen Erkenntnisse sollen anderen Unternehmen als Leitfaden dienen, den Nutzen von KI zu maximieren und gleichzeitig das Risiko zu minimieren.

Gesamte Präsentation

Alle präsentierten Folien und erarbeiteten Ergebnisse des Tages können Sie bequem als PDF herunterladen.

Weiterführendes

Hier finden Sie ein Programmierungsbeispiel zur Implementierung eines einfachen neuronalen Netzwerks:

Download

 

Schauen Sie gerne für weiterführende Informationen zum Thema KI hier vorbei:

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KI-Landkarten: 

https://www.ki.nrw/ki-landkarte/#/ 

https://www.plattform-lernende-systeme.de/ki-landkarte.html

Oder stöbern Sie durch die folgenden Literaturen:

S. Stowasser: Einführung von KI-Systemen in Unternehmen. München. 2020.

A. Gerón: Praxiseinstieg Machine Learning. Heidelberg. 2020.

 
 

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