Eine KI für die STRIKO Verfahrenstechnik GmbH
„Der Großteil der Arbeit liegt darin, das Problem zu verstehen und die Daten richtig zu managen.“
Unser Weg führte am 08. Oktober 2024 wieder einmal nach Reichshof ins Oberbergische Land. In den modernen Hallen der STRIKO Verfahrenstechnik GmbH galt es, die Berstscheiben-Produktion des Unternehmens auf Basis innovativer Methoden zu verbessern. Unser Team Entwicklungssystematik und kollaboratives Arbeiten besucht in seiner Veranstaltungsreihe produzierende Unternehmen, um mit ihnen gemeinsam die ersten Schritte zur Lösung einer komplexen Herausforderung mit Künstlicher Intelligenz zu gehen.
Gebaut, um kaputt zu gehen? „Was soll das denn?!“, mag man denken. Während beispielsweise manche Soft- und Hardwarehersteller die Obsoleszenz ihrer Produkte nachweislich strategisch planen, um dem Kunden früher als nötig die nachfolgende Generation verkaufen zu können, ist die geplante Zerstörung der Berstscheiben der STRIKO Verfahrenstechnik GmbH jedoch auch weitgehend im Sinne ihrer Kunden. Berstscheiben können in diversen Bereichen eingesetzt werden wie etwa in Rohrleitungen von Industrie-Anlagen, in Tanks oder in Batterien von Sportwagen, wie Thorsten Dörr, verantwortlich für Digitale Transformation bei STRIKO, berichtete. Die Aufgabe von Berstscheiben ist mit der von Ventilen vergleichbar. Sie fangen im Notfall unerwünschten Über- oder Unterdruck vordefinierter Größe durch Bersten einer Sollbruchstelle ab. Der Begriff Bersten bezeichnet dabei den Bruch oder das Reißen ohne Splitterung. So verhindern Berstscheiben kostspielige und womöglich gefährliche Schäden an dem System, in dem sie installiert sind. Im Gegensatz zu einem Ventil, das bei einem Ereignis weiterverwendet werden kann, ist die Berstscheibe nach einmaliger Auslösung unbrauchbar und muss erneuert werden. Allerdings sind Berstscheiben deutlich günstiger und müssen nicht wie Ventile regelmäßig von einer Prüforganisation abgenommen werden, so STRIKO. Das Material einer Berstscheibe wird zwar ebenfalls mit der Zeit schwächer, der Worst Case wäre allerdings eine frühzeitige Auslösung, während die Fehlfunktion eines Ventils schlimmstenfalls eine Nicht-Funktion bedeuten könnte.
Die STRIKO Verfahrenstechnik GmbH
- familiengeführtes Unternehmen
- 1973: Gründung der S. & K. Graphitapparatebau GmbH
- 1998: Fusion der STRIKO GT mit Westofen zur STRIKOWESTOFEN GmbH; Ausgliederung der STRIKO Verfahrenstechnik W. Strikfeldt & Koch GmbH; Gründung der STRIKO Verfahrenstechnik Vertriebs GmbH
- 2019: Bezug des neuen, eigenen Firmengebäudes in Reichshof
- 30 Beschäftigte
- Kernbereiche: Berstscheiben, Statische Mischer, Wärmetauscher
Die Herstellung von Berstscheiben als Ausgangspunkt für die Problemstellung
STRIKO produziert in der Regel Berstscheiben zu kleinen Stückzahlen. Und fast alle sind Einzelanfertigungen. Vor der Fertigung stehen daher Gespräche mit dem Kunden sowie Messungen an, um die diversen relevanten Parameter zu bestimmen. Zum Beispiel: Welchen Durchmesser muss die Berstscheibe haben? Aus welchem Material soll sie bestehen? Wie dick soll sie sein? Bei welchem Druck soll sie auslösen und bei welcher Temperatur wird dieser Druck anliegen? Mit jedem zu beachtendem Parameter wächst also die Möglichkeit an Kombinationen und somit der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe STRIKOs zur Fertigung der Scheibe exponentiell. Die Fertigung basiert bislang auf einem Trial-and-Error-Prozess, der durch die wachsenden Erfahrungswerte der entwickelnden Ingenieure optimiert wird. Die Parameter jeder Scheibe werden bei STRIKO bisher manuell in Excel-Listen erfasst. Abseits der Erfahrung der Ingenieure, schlummert also ein enormer Erfahrungsschatz in diesen Excel-Listen. Diesen Schatz mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz zu heben, langfristig die Anzahl der Tests pro verkaufte Scheibe zu reduzieren und den zu erwartenden Berstdruck zumindest näherungsweise vorhersagen zu können, war das Ziel der Arbeit unserer KI-Experten Martin de Fries, Marcus Irmer und Alexander Nüßgen.
Datenmanagement als essenzieller Ausgangspunkt für eine KI-Lösung
Die Umkehr-Berstscheiben der SU-R-Baureihe von STRIKO dienten als Modell für die durch unsere Experten behandelte Herausforderung. Um die Komplexität der Aufgabe zu reduzieren und den KI-Ansatz sowohl für STRIKO als auch für die Teilnehmenden der Veranstaltung aus Unternehmen und Stadtverwaltung greifbar zu machen, wurden fünf Produktionsparameter ausgewählt und für die Aufgabe herangezogen.
„Der Großteil der Arbeit liegt darin, das Problem zu verstehen und die Daten richtig zu managen“, erklärte Marcus Irmer. Unsere Experten veranschaulichten, wie aufwendig es war, die STRIKO-Daten zu sammeln. Neben den bereits erwähnten Excel-Listen mit historischen Testdaten erfolgreicher Berstscheiben-Konfigurationen sowie dem erfahrungsbasierten Expertenwissen STRIKOs, zog unser Team auch Material- und Konstruktionsdaten hinzu. Es galt also, die Daten aus diesen drei Quellen zusammenzuführen, potentielle Fehler durch die händische Eintragung zu bereinigen und das Ganze in eine Form zu bringen, die in gängige Entwicklungsumgebungen implementiert werden kann. Unser Team demonstrierte anschließend unter regem Interesse der Teilnehmenden, wie sie bei der KI-Entwicklung Schritt für Schritt vorgegangen sind. Im Detail können Sie das Vorgehen hier in unserer Dokumentation inklusive Empfehlung gängiger (kostenfreier) Tools nachvollziehen. Im Wesentlichen durchlief das TrendAuto-Team folgende Schritte:
- Problemdefinition
- Datenakquise
- Datenanalyse
- Modellauswahl und Training
- Modellanalyse und Feinabstimmung
- Modelleinsatz und Wartung
95 Prozent Genauigkeit bei der Prognose
Häufig werden KI-Modelle eingesetzt, um eine von zwei Arten von Aufgaben zu lösen: Regression oder Klassifikation. In diesem Fall liegt eine Regressionsaufgabe vor. Das bedeutet, dass die KI eine Zielvariable (in diesem Fall den wahrscheinlichen Berstdruck) aufgrund des Zusammenspiels diverser Parameter möglichst präzise prognostizieren soll. Das ist unseren Experten hier trotz eines relativ kleinen Datensatzes mit einer Genauigkeit von 95 Prozent gelungen. STRIKO kann auf diesem Ansatz aufbauen und in der weiteren Zusammenarbeit mit unserem Team den Grundstein legen, KI zukünftig tatsächlich in ihre Fertigung zu implementieren.
Der zweite häufige Aufgabentyp von KI-Modellen sind Klassifikationsaufgaben. Sie zielen darauf ab, anhand gegebener Informationen Objekte in diskrete, vordefinierte Kategorien oder Klassen einzuteilen. In der ersten Veranstaltung in unserer Reihe befasste sich unser Team mit einer solchen Klassifikationsaufgabe bei der Hans Berg GmbH & Co. KG. Hier ging es darum, die Ausschussquote einer Anlage zur Produktion von Motorhauben-Aufstellern zu verringern. Das Vorgehen zur Entwicklung einer KI am Beispiel von Hans Berg können Sie in unserem Leitfaden schrittweise nachvollziehen.
„Für Unternehmen, die erwägen, Künstliche Intelligenz in ihre Prozesse zu integrieren, aber noch unsicher sind, wo sie beginnen sollen, können wir nur empfehlen, sich direkt mit den Veranstaltern in Verbindung zu setzen oder die bereitgestellten Materialien zu lesen.“
– Thorsten Dörr, STRIKO Verfahrenstechnik GmbH
Wenn Sie ebenfalls die Potenziale von Künstlicher Intelligenz in Ihrem Unternehmen entdecken möchten, sprechen Sie uns an! Unsere KI-Experten der TH Köln freuen sich, gemeinsam mit Ihnen innovative Lösungen zu entwickeln und Ihre Prozesse zukunftsorientiert auszurichten!