Warum ist Weiterbildung für die Auto- und Zulieferindustrie so wichtig, Timothy Fitschen?

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Timothy Fitschen

Fitschen ist Bereichsleiter für das Rheinische Revier bei einem unserer Partner, der Bundesagentur für Arbeit in Brühl.

Quotation Marks

Die Weiterentwicklung der eigenen Arbeitskräfte ist die wichtigste Investitionsentscheidung, die ein Unternehmen treffen kann.

1 Herr Fitschen, warum ist Weiterbildung heutzutage für alle, ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen, so wichtig? Was hat sich vielleicht in unserer Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten geändert?

Berufliche Weiterbildung ist keine neue Erfindung, aber die Bedeutung wurde in den letzten Jahren massiv aufgewertet. Dies geht einher mit der gestiegenen Veränderungs- und Innovationsgeschwindigkeit in der Wirtschaft, die wir z.B. im privaten Umfeld bei technischen Entwicklungen erkennen können. Aber auch gesellschaftlich oder politisch gewünschte Veränderungen wie z.B. klimaneutrale Energieproduktion und nachhaltige Wertschöpfung führen dazu, dass in immer kürzeren Zeitabständen neue Technologien eingeführt werden. Teils wirken neue Technologien gefühlt auch schon überholt, wenn sie gerade erst auf dem Markt verfügbar sind. Möglich wurde dieses Tempo ebenfalls durch Technik – die Digitalisierung ist der Taktgeber unserer Zeit. Diese zunehmende Geschwindigkeit setzt Unternehmen wie Beschäftige natürlich unter großen Druck, um bei diesen Veränderungen Schritt zu halten. Und hier bietet Weiterbildung eine wichtige Antwort.

2 Warum gilt das in besonderer Weise für die Automobil- und Zulieferindustrie? Ist unsere Region besonders betroffen? Welche Probleme und Herausforderungen sehen Sie hier?

Die Automobilbranche ist ein besonderes Beispiel für diesen Wandel. Der Konkurrenzdruck war schon immer einer der Antriebe für den Fortschritt, z.B. für neue Modelle und neue Technologien. Seit einigen Jahren stehen wir nun aber vor der Herausforderung der Elektromobilität, die als disruptive Innovation neue Wertschöpfung und Arbeitsplätze schafft – aber auch bisherige Geschäftsmodelle und Arbeitsplätze bedroht. Das betrifft eine ganze Reihe von Unternehmen und Beschäftigten in unserer Region. In kaum einer anderen Region werden so viele Menschen in diesem Sektor beschäftigt. Nach den großen Standorten in Süddeutschland und Niedersachsen kommen gleich wir in NRW. Wir erleben also eine Branche im Umbruch und unter starkem Zeitdruck. Die ausländische Konkurrenz schläft nicht und sichert sich bereits deutliche Marktanteile. Der verschärfte Innovationsdruck führt letztlich auch dazu, dass wir von den Beschäftigten in den Betrieben ein höheres Anpassungstempo verlangen bzw. verlangen müssen. Das lebenslange Lernen ist für viele Beschäftige keine Floskel mehr, sondern gelebter Alltag.

3 Welche Lösungen für ArbeitnehmerInnen bietet die Agentur für Arbeit für diese Probleme?

Wenn wir auf den Arbeitsmarkt blicken, haben wir zwei Brillen auf. Wir unterstützen und fördern Unternehmen in Veränderungsprozessen und leisten damit einen wichtigen Beitrag für die Wirtschaftskraft in Deutschland. Besonders wichtig ist uns aber auch jeder Einzelne, sei es in Beschäftigung oder aktuell auf Jobsuche. Wir unterstützen die Menschen beratend bereits vor dem Einstieg in das Berufsleben über die Berufsberatung und bieten damit eine wichtige Orientierung. Mit Eintritt in den Beruf ist aber nicht Schluss. Daher haben wir unser Angebot vor einigen Jahren ausgeweitet und unterstützen im Bereich der beruflichen Weiterentwicklung oder Neuorientierung durch unsere Berufsberatung im Erwerbsleben. Abhängig von der aktuellen Beschäftigungssituation haben wir auch die Möglichkeit, die berufliche Weiterentwicklung finanziell zu fördern.

4 Und für ArbeitgeberInnen?

Auch ArbeitgeberInnen unterstützen wir mit passgenauen Beratungsdienstleistungen. Gemeinsam mit Unternehmen können wir Weiterbildungskonzepte entwickeln – auf Basis der individuellen Situation. Hierzu identifizieren wir Entwicklungspotentiale und beraten auch zur Planung und Umsetzung konkreter Qualifizierungsvorhaben. Selbstverständlich bieten wir auch für Unternehmen finanzielle Förderung an, z.B. durch die teilweise oder vollständige Erstattung der Lehrgangskosten für Beschäftigte und Zuschüsse zum Arbeitsentgelt.

Wir unterstützen die Unternehmen auch, wenn es wirtschaftlich mal nicht so rund läuft. Das Kurzarbeitergeld hilft dabei, Beschäftigte in den schwierigen Phasen im Betrieb zu halten und Entlassungen zu vermeiden. Hier möchte ich hervorheben, dass wir auch während des Bezugs von Kurzarbeitergeld die Qualifizierung der Beschäftigten unterstützen. Es steckt viel Potential darin, die Phasen der Kurzarbeit sinnvoll zu nutzen und in die Zukunftsfähigkeit des Personals zu investieren.

5 Können Sie uns ein erfolgreiches Beispiel für eine Transformation im Automobilbereich nennen? Welche Rolle hat hier die Agentur für Arbeit bzw. das Thema Weiterbildung gespielt?

Die beschriebenen Transformationsprozesse als Folge der zunehmenden Elektromobilität führen dazu, dass viele Beschäftigte qualifiziert werden müssen. Die notwendigen Qualifizierungen sind aber häufig gar nicht am Markt abrufbar und müssen erst entwickelt werden. Wir sprechen in der Folge auch über hohe Kosten für die Qualifizierungen selbst. Dazu kommt noch der Arbeitsausfall. Genau mit diesen beiden Ansätzen – Beratung und finanzielle Unterstützung – haben wir in den letzten Jahren mehrere Automobilhersteller und Zulieferer begleitet und ihnen so dabei geholfen, sich neu aufzustellen. Das letzte große Projekt in der Region wurde mit Ford in Köln auf den Weg gebracht. Mit der Umstellung des Stammwerks zum reinen Elektroauto-Werk verändern sich natürlich auch die Anforderungen an die beruflichen Skills der Beschäftigten. Wir unterstützen also konkret dabei, das Know-how und die Fähigkeiten der Beschäftigten mit passenden Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten auszubauen und bringen einfach ausgedrückt hierfür auch noch Geld mit.

6 Welche Trends sehen Sie für die regionale Arbeitswelt in der Zukunft?
Welche Tipps würden Sie ArbeitnehmerInnen geben, welche ArbeitgeberInnen?

Unsere Region ist vom Wandel der Arbeitswelt stark betroffen, vielleicht sogar stärker als viele andere Regionen in Deutschland. Das Rheinische Revier mit dem anstehenden Kohleausstieg und dem daraus folgenden Transformationsprozess sowie die Entwicklungen in der Automobilbranche sind nur zwei Beispiele die zeigen, welche Chancen und welches Potential in unserer Region stecken. Wir haben die Chance, zu einer führenden Innovationsregion in Deutschland zu werden. Die Branchen vor Ort werden nicht einfach wegbrechen, sondern auch künftig mit einem breiten Arbeitsplatzangebot und ihrer Wirtschaftskraft eine wichtige Rolle für uns alle spielen. Allerdings werden wir erleben, wie sich die einzelnen Wirtschaftsbereiche weiterentwickeln und neu erfinden. Jobbezeichnungen von heute wird es zum größten Teil auch noch in 10-20 Jahren geben. Allerdings werden sich die dafür benötigten Skills verändern. Beschäftigten wie Arbeitsuchenden kann ich daher nur raten, dem Lernen gegenüber stets aufgeschlossen zu sein. Die Bereitschaft zum Lernen ist mindestens genauso wichtig wie die vorhandenen Kenntnisse und Fertigkeiten. Der gleiche Rat gilt abgewandelt auch für die Arbeitgeber. Der Fachkräftebedarf führt uns allen vor Augen, dass qualifizierte Arbeitskräfte nicht an Bäumen wachsen. Die Weiterentwicklung der eigenen Arbeitskräfte ist die wichtigste Investitionsentscheidung, die ein Unternehmen treffen kann.

Weiterbildung bei TrendAuto2030plus

Das Thema “Weiterbildungsbedarfe und Qualifizierungsformate” ist einer unserer Themenschwerpunkte bei TrendAuto2030plus. Unser Team aus Handlungsfeld Qualifikation richtet regelmäßig Veranstaltungen zu diesem Thema aus, bei denen die neusten Ergebnisse aus unserer Projektarbeit im Vordergrund stehen. Schwerpunkte sind Success-Stories anderer Unternehmen, neueste Erkenntnisse aus der Wissenschaft, relevante Angebote und vieles mehr. Ziel des Teams ist es, Sie als Unternehmen dabei zu unterstützen, Weiterbildungsbedarfe für Ihre Beschäftigten zu identifizieren und Qualifizierungsformate zu entwickeln.

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